Steuerfunktion des Geldes und menschenwürdige Optimierung

Zuerst möchte ich euren Fokus auf den Zusammenhang zwischen Geldströmen und den sozialen, kulturellen, politischen Prozessen der Gesellschaft und meine Wahrnehmung davon richten.

Als Student der Kognitionswissenschaft und Mensch mit idealistischem Anspruch sehe ich mich mit dem Problem konfrontiert, dass nach Abschätzung von Josef Weizenbaum, einem Pionier der Computerlinguistik, mindestens 50 % der Forschenden in diesem Gebiet direkt oder indirekt für das Militär arbeiten, welches beträchtlich viel Geld in solche zukunftsweisenden technologischen Zweige hineinspült.

Um mein Studium zu finanzieren, habe ich als Programmierer im Bereich der Webtechnologie gearbeitet. Anstatt mit meinen Kompetenzen Werkzeuge zu programmieren, welche den Menschen helfen, mögliche Lösungen für die Schieflagen unserer Welt zu entwickeln oder anzugehen, habe ich Werkzeuge für Discounter und "Human Ressource Management" gebastelt, da diese Produkte nun mal den Großteil der bezahlten Jobs für junge Programmierer ausmachen und man hauptsächlich dort Geld verdienen kann, wo mithilfe des Produkts noch mehr Geld generiert wird, also im kommerziellen Bereich und damit wiederum nur unter dem Strich dem Wachstum jenes Systems dienen, welches wir anprangern.

Vor meinem Studium war ich in meiner Heimatstadt im Bereich der Jugendbeteiligung aktiv und habe das Projekt "Youthbank" umgesetzt, mit dessen Hilfe unser damaliger Schülerverein einzelne Jugendprojekte mit bis zu 800€ auf unbürokratische Art und Weise fördern konnte. Die Förderwirkung dieses Projekts war großartig, und dennoch konnte ich mich nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Geld für dieses Projekt den Töpfen der Deutschen Bank Stiftung entstammt. Unter wirtschaftlichem Aspekt betrachtet poliert dieses Projekt das Image der Deutschen Bank auf, dient dazu, die Jugendlichen im Umgang mit Geld zu schulen und, hier nehme ich mir heraus, zu spekulieren, deren Kontakte zu sammeln.

Betrachtet man also den Zusammenhang zwischen Geldströmen und den sozialen, kulturellen und ökologischen Prozessen der Gesellschaft, fällt mir auf, dass die Steuerfunktion des Geldes im besten Fall eine symbiotische Beziehung zwischen Gemeinwohl und wirtschaftlichen Interessen eingeht. Im schlimmsten Fall nimmt das Paradigma der freien Marktwirtschaft allerdings parasitäre Züge an, indem von allen Möglichkeiten der Geldschöpfung ungeachtet der sozialen, kulturellen und ökologischen Folgen ausschöpfend Gebrauch gemacht wird, wie es außerhalb des Wahrnehmungsschirms der westlichen Bevölkerung schon oft geschehen ist.

Ich denke, es ist an der Zeit, ein paar Änderungen an dem System anzugehen. Es gibt schon viele Ansätze da draußen, um auch weitere Aspekte nach menschlichen Kriterien zu optimieren.

Darunter fallen systembezogenen Veränderungen, wie z.B. das Ersetzen des derzeitigen Bruttoinlandsprodukt als Indikator für Wohlstand durch ein sinnvolleres Maß, das transparente Gestalten politischer Prozesse durch vorhandene technische Möglichkeiten (E-Government, Liquid Democracy), einen Ressourcenbasierten Ansatz für das Maß von Wirtschaftlichkeit mit dem Ziel eines stabilen, nachhaltigen Systems (Steady State Economy), das Befreien der Menschen von dem Zwang zur Arbeit unter seiner Würde und damit von der Abhängigkeit von den Geldströmen (bedingungsloses Grundeinkommen), ein innovationsförderner Ansatz im Umgang mit dem Generieren und Verbreiten von gedanklichem Gut, das für mich persönlich der wahre Motor gesellschaftlicher Weiterentwicklung und Wohlstands darstellt (Copyleft, Open Access).

Darunter fallen aber auch persönliche Veränderungen der Sichtweise, wie z.B. die Erkenntnis, auf welch vielfältige Weisen das Geschehen der Welt in direkten Zusammenhang mit dem Handeln eines einzelnen von uns steht und sehr wohl ein einzelner in seiner direkten Umgeben, ohne darüber hinaus aktiv zu werden, ein konstitutiver Teil des Systems ist und dieses über sein Handeln auch beeinflussen kann (Schwarmeffekte).

Anstatt das derzeitige System um jeden Preis in seiner Form zu erhalten, wünsche ich mir ein System, das für neue Ansätze offen ist und solche womöglich auch im Kleinen ausprobiert. Ich wünsche ich mir von jedem von euch die Bereitschaft zu einem offenen, modelbasierten Diskurs, um dem dystopischen Gedankengut, mit dem wir allzu oft konfrontiert werden, mit einer Utopie begegnen zu können, mit der Aussicht auf eine menschenwürdigere Zukunft.

Es gibt viel zu tun. Auf den Versammlungen jeden Sonntag im Big Buttinsky bietet sich die Gelegenheit, damit anzufangen.

 


 

Kundgebung von Alexander
auf der 3. Demonstration von Occupy Osnabrück am 11.11.11