Oft begegnen einem Menschen…

…und die gängige Meinung, dass es eben zu viele Menschen auf der Welt gibt, und dass "das System" sich weiter ausbauen muss, um "alle satt" zu machen. Dies ist auch das gängige Argument der Genmanipulationslobby.

Jean Ziegler, langjähriger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung und derzeit Vize-Präsident des beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrats, widerlegt das eindrucksvoll. Nach seiner Ausladung als Eröffnungsredner der Salzburger Festspiele veröffentlicht er seine nicht gehaltene hochaktuelle Rede im Internet.

Jean Ziegler spricht über die dramatische Lage der Hungernden in der Welt. Er sagt:

„Ein Kind, das am Hunger stirbt, wird ermordet.“

Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. 37.000 Menschen verhungern jeden Tag, und fast eine Milliarde sind permanent schwerstens unterernährt. Der Weltfood-Report der FAO, der alljährlich diese Opferzahlen gibt, sagt, dass die Weltlandwirtschaft in der heutigen Phase ihrer Entwicklung problemlos das Doppelte der Weltbevölkerung normal ernähren könnte.

Schlussfolgerung: Es gibt keinen objektiven Mangel, also keine Fatalität für das tägliche Massaker des Hungers, das in eisiger Normalität vor sich geht…..

Das Geld fehlt [angeblich].

Das Welternährungsprogramm, das die humanitäre Soforthilfe leisten sollte, verlangte am 1. Juli für diesen Monat einen Sonderbeitrag seiner Mitgliedstaaten von 180 Millionen Euros. Nur 62 Millionen kamen herein.

Das normale WPF (World-Food-Programm) Budget lag im Jahr 2008 bei 6 Milliarden Dollars. 2011 ist das reguläre Jahresbudget noch 2,8 Milliarden. Warum?

Weil die reichen Geberländer – insbesondere die EU-Staaten, die USA, Kanada und Australien – viele Tausend Milliarden Euros und Dollars ihren einheimischen Bankhalunken bezahlen mussten: zur Wiederbelegung des Interbanken-Kredits, zur Rettung der Spekulations-Banditen. Für die humanitäre Soforthilfe (und die reguläre Entwicklungshilfe) blieb und bleibt praktisch kein Geld.

Wegen des Zusammenbruchs der Finanzmärkte sind die Hedge-Fonds und andere Groß-Spekulanten auf die Agrarrohstoffbörsen (Chicago Commodity Stock Exchange, u. a.) umgestiegen. Mit Termingeschäften Futures usw. treiben sie die Grundnahrungsmittelpreise in astronomische Höhen.
Die Tonne Getreide kostet heute auf dem Weltmarkt 270 Euros. Ihr Preis war genau die Hälfte im Jahr zuvor. Reis ist um 110% gestiegen. Mais um 63%.

Was ist die Folge? Weder Äthiopien, noch Somalia, Djibouti oder Kenya konnten Nahrungsmittelvorräte anlegen – obschon die Katastrophe seit fünf Jahren voraussehbar war.
Dazu kommt: die Länder des Horns von Afrika sind von ihren Auslandschulden erdrückt. Für Infrastrukturinvestitionen fehlt das Geld. In Afrika südlich der Sahara sind bloß 3,8% des bebaubaren Bodens künstlich bewässert. In Wollo, Tigray, Shoa auf dem äthiopischen Hochland, in Nordkenya und Somalia noch weniger. Die Dürre tötet ungestört. Diesmal wird sie viele Zehntausende töten.

Viele der Schönen und der Reichen, der Großbankiers und der Konzern-Mogule dieser Welt kommen in Salzburg zusammen. Sie sind die [mit]Verursacher und die Herren dieser kannibalischen Weltordnung.

Was ist mein Traum? Die Musik, das Theater, die Poesie – kurz: die Kunst – transportieren die Menschen jenseits ihrer selbst. Die Kunst hat Waffen, welche der analytische Verstand nicht besitzt: Sie wühlt den Zuhörer, Zuschauer in seinem Innersten auf, durchdringt auch die dickste Betondecke des Egoismus und der Entfremdung und der Entfernung.

Sie trifft den Menschen in seinem Innersten, bewegt in ihm ungeahnte Emotionen. Und plötzlich bricht die Defensiv-Mauer seiner Selbstgerechtigkeit zusammen. Der neoliberale Profitwahn zerfällt in Staub und Asche.

Mein Traum könnte wirklichkeitsfremder nicht sein! Ins Bewusstsein [aber] dringt die Realität. Dringen die sterbenden Kinder.

Die Hoffnung liegt im Kampf der Völker der südlichen Hemisphäre, von Ägypten und Syrien bis Bolivien, und im geduldigen, mühsamen Aufbau der Radikal-Opposition in den westlichen Herrschaftsländern. Kurz: in der aktiven, unermüdlichen, solidarischen, [basisch]demokratischen [Organisationen und Bewegung]. Es gibt ein Leben vor dem Tod. Der Tag wird [und muss] kommen, wo Menschen in Frieden, Gerechtigkeit, Vernunft und Freiheit, befreit von der Angst vor materieller Not, zusammen leben werden.

Jean Ziegler fügt an das Ende seiner Rede zwei später hinzugefügte Strophen des Liedes der Mutter Courage von Bertolt Brecht. Sie erklärt diese Hoffnung ihren Kindern :

„Es kommt der Tag, da wird sich wenden
Das Blatt für uns, er ist nicht fern.
Da werden wir, das Volk, beenden
Den großen Krieg der großen Herrn.

Die Händler, mit all ihren Bütteln
Und ihrem Kriegs- und Totentanz
Sie wird auf ewig von sich schütteln
Die neue Welt des g'meinen Manns.

Es wird der Tag, doch wann er wird,
Hängt ab von mein und deinem Tun.
Drum wer mit uns noch nicht marschiert,
Der mach’ sich auf die Socken nun.“


Kundgebung von Buntervogel
auf der 2. Demonstration von Occupy Osnabrück am 29.10.11